Hör auf zu nerven!

Wenn eine/r das sagt, sollte man kurz innehalten und sich fragen: was ist passiert? Denn solche Statements weisen darauf hin, dass eine Grenzüberschreitung stattgefunden hat. Allerdings sollte vorher geklärt werden, wie alt die beteiligten Personen sind oder anders ausgedrückt: handelt es sich um Erwachsene untereinander, um Kinder untereinander oder um ein Kind und eine erwachsene Person. Eltern sagen das manchmal zu ihren Kindern und wahrscheinlich hat man unzählige Situationen im Kopf, wo es vollkommen berechtigt scheint, so etwas zu denken, vielleicht auch zu sagen. Problematisch wird es dann, wenn solche Sätze sich automatisieren, also ausgesprochen sind, bevor wir sie überhaupt richtig hören.
Aber zunächst zum Thema Grenzüberschreitung: Um eine Grenze zu überschreiten, muss klar sein, wo die Grenze ist, d.h. mindestens einer muss die Grenzlinie gezogen haben. Anhand bestimmter Sprechsituationen kann man das gut nachvollziehen. Wenn z.B. eine prominente Person ein Interview gibt, wird vorher festgelegt, in welchem Rahmen Fragen gestellt werden, d.h. die Grenze ist meistens klar. Spannend wird’s wenn man ins Zwischenmenschliche hineinschaut, also in die Familien, in die Paarbeziehungen. Denn hier werden Grenzen auch gerne mal zu Tabus. Tabu bedeutet „verboten“. Und spätestens hier sollte der aufgeklärte Mensch aufhorchen und genau untersuchen, ob die aufgestellten Tabus zu tolerieren sind.
Wenn die heranwachsenden Kinder nicht über ihre Freunde ausgefragt werden wollen und hartnäckigem Nachfragen mit: „du nervst“ begegnen, kann man das ja irgendwie verstehen, man war ja selber so. Das heißt – ganz „so“ muss man nicht sein. Hartnäckige Nachfragen bedeuten nämlich oft: da interessiert sich ein Mensch für einen anderen. Das ist zunächst eine schöne Sache – außer man sitzt in einem Verhör und wird von der Polizei befragt – und sollte auch gewürdigt werden.-
Kann man den Beziehungsaspekt von hartnäckigen Fragen würdigen und andererseits nicht zu viel von sich preisgeben? Vielfältige Möglichkeiten tun sich hier auf und man erkennt schnell, dass hier vor allem die Redekunst zum Zug kommt. Etwas „wortreich verschleiern“ nennt man das (also mit vielen Worten nichts sagen) und wird gerne und häufig in der Politik praktiziert.
Deshalb sollte man nicht nur den Worten vertrauen, die entweder reich daherkommen oder schroff darauf hinweisen, dass eine Grenze verletzt wurde.
Unbedingt müssen wir auf das Wie schauen. Wenn bei wortreichen Erklärungen der Blick gen Boden gerichtet ist... Vorsicht! Lieber hartnäckig (lol) nachfragen!
Wenn: „Hör mal auf zu nerven!“ dauernd in unseren Ohren klingt (entweder weil wir es selber sagen oder weil wir es von einem anderen hören) ...Vorsicht! Es könnte zu dauerhaften Beeinträchtigungen in unseren Beziehungen führen.
Und jetzt mal ganz ehrlich: Was wären wir ohne unsere Beziehungen?